Donnerstag, 6. November 2014

Müssen alle studieren?

Eine Zeit lang wurde die Akademisierung gewisser Berufssparten vorangetrieben, um das Sozialprestige der Ausübenden zu fördern.
Von Seiten der Wirtschaft kam schon früh die Mahnung, man solle nicht überqualifizieren, sonst gingen die notwendigen Facharbeiteranwärter verloren.
Wenn man dann aber darüber hört, wie viel Probleme Facharbeiter über 50 Jahre, die "freigesetzt" worden sind, haben, wieder eine Stelle zu finden, mutet einen der Facharbeitermangel doch eher wie ein Mythos an.

MARION SCHMIDT schreibt in ZEIT online am 5.11.14 unter der Überschrift BILDUNGSBÜRGERTUM. Müssen jetzt alle studieren?
In Deutschland gibt es heute mehr Studienanfänger als Auszubildende. Die Akademisierung wird unsere Gesellschaft verändern. Zum Guten. [...]
Es mag absurd klingen: Die Hochschulen müssen mit viel Aufwand und hohen Kosten ihre Studenten fit machen für das Studium, während Unternehmen händeringend qualifizierte Bewerber für eine berufliche Ausbildung suchen. Wäre mancher Studienanfänger in einem Betrieb nicht besser aufgehoben? Oder anders gefragt: Nimmt Suat Yilmaz den Betrieben die Lehrlinge weg?
Bei der Industrie- und Handelskammer Nord Westfalen, zwei Kilometer von der Westfälischen Hochschule entfernt, tun sie sich schwer mit der Antwort. "Wir sehen das problematisch", sagt Carsten Taudt vorsichtig. Er ist bei der IHK für Bildung zuständig. Taudt sitzt im Haus der IHK an einem riesigen blank polierten Holztisch, an dem vor fünfzig Jahren die Zechendirektoren ihren Platz hatten. Damals, als in Gelsenkirchen noch die Kohle für Arbeitsplätze sorgte. Heute verliert die Stadt jedes Jahr rund 2.000 Einwohner. Die Menschen ziehen weg. Hoch sind nur die Arbeitslosigkeit und die Schulden. "Die Betriebe brauchen gar nicht so viele Akademiker", sagt Taudt, "uns fehlen die beruflich Gebildeten."
Was Taudt nicht sagt: Es gibt gar nicht genug Lehrstellen im nördlichen Ruhrgebiet; viele Betriebe bilden nicht mehr aus. Ein Studium ist für manche Jugendliche die einzige Perspektive nach der Schule. Und: Die Betriebe machen sich ungern Mühe mit Jugendlichen, die nur einen einfachen oder keinen Schulabschluss haben. Die gelten als nicht ausbildungsreif. Während die Hochschule Gelsenkirchen es auf sich nimmt, schlecht vorbereitete Studienanfänger in ihr System einzugliedern, lassen viele Unternehmen schwache Jugendliche links liegen.  (mehr)

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