Sonntag, 8. März 2015

Osterhammel zu Hierarchien

Eine globale Sozialgeschichte?
Hierarchie ist eine der wichtigsten Dimensionen von Gesellschaft.
"Daher lassen sich 'nationale' Gesellschaften besonders gut durch ihre rechtlichen Institutionen charakterisieren." (S.1057) Z.B. durch das Erbrecht. Es beeinflusst die "Gesellschaftsordnung der Völker". [vgl. dazu: Piketty: Das Kapital im 21. Jahrhundert]
Weder für Europa noch für die USA gibt es für die "Sozialgeschichte der 19. Jahrhunderts synthetisierende Gesamtdarstellungen" (S.1058)
Das "Deutungsschema für das 19. Jahrhundert" von der Ständegesellschaft zur Klassengesellschaft oder bürgerlichen Gesellschaft ist zu allgemein und trifft nicht für Europa insgesamt.
So wurden in den schottischen Highlands die "alten gälischen Clanstrukturen, die afrikanischen Sozialformen nicht unvergleichbar waren, [...] direkt in agrarkapitalistische Verhältnisse überführt" (S.1061). "Die russische Gesellschaft war eine relativ offene Gesellschaft, in der sozialer Aufstieg durch Staatsdienst möglich war und die nicht-bäuerlichen Städter sich nur unscharf von anderen Segmenten der Gesellschaft definieren konnten." (S.1061) Daher ist ihr "Mangel an Struktur" und Konzepten sozialer Ordnung zugeschrieben worden.
Außerhalb von Europa gibt es kaum etwas, was sich mit den europäischen Ständen vergleichen lässt. (Allenfalls in Tokugawa-Japan)
China kannte weit weniger klare Trennungen (Aufstiegsmöglichkeit über Prüfungssystem), die indischen Kasten weichen stark von den europäischen Ständen ab. Die Briten sahen freilich in den Kasten eine Erleichterung ihrer Herrschaft und führten auf der Insel Ceylon "eine Art von Kastensystem ein, das es bis dahin nicht gegeben hatte". (S.1062)
"Für Hispanoamerika hat [...] Alexander von Humboldt [...] bereits am Ende der Kolonialepoche zeigen können, dass in ethnisch gemischten Gesellschaften die Hautfarbe das alles überlagernde Schichtungskriterium war." (S.1062)
"Über weite Strecken ist die globale Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts identisch mit Migrationsgeschichte" (S.1063). "Adelsschichten [...] schlugen niemals Wurzeln in den britischen Siedlungskolonien. [...] Der Aufbau neuer Gesellschaften jenseits der alteuropäischen Ständeordnung durch europäische Emigranten ist eine der markantesten Entwicklungen in der globalen Sozialgeschichte des 19. Jahrhunderts." (S.1063)

(Jürgen Osterhammel: Die Verwandlung der Welt. Eine Geschichte des 19. Jahrhunderts, 2009)

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