Donnerstag, 3. Dezember 2015

„Die deutsche Demokratie hat Selbstmord verübt und ist gleichzeitig ermordet worden."

In gutefrage.net wird danach gefragt, was Franz Neumann mit "Selbstmord und gleichzeitig ermordet" meint.
Dabei steht die Antwort schon im Netz:
"weil Struktur und Praxis der Weimarer Verfassung die Machtübertragung an die Nationalsozialisten begünstigte" (http://www-user.uni-bremen.de/~wolli/texte/abschiedsvorlesung/abschiedsvorlesung.htm).
Weil das Vorhandensein von Suchmaschinen allein nicht ausreicht, sie erfolgreich zu benutzen, und weil nicht jeder die Voraussetzungen mitbringt, die Antwort zu verstehen, selbst wenn diese Voraussetzungen im Unterricht ausführlich behandelt worden sein sollten, erläutere ich diese Antwort noch. 
Zuvor der Hinweis: Ich haben nicht gegoogelt, sondern https://duckduckgo.com/ benutzt, um sie zu finden.
Zur Erläuterung:
Die Struktur der Weimarer Verfassung gab dem Reichspräsidenten eine monarchenähnliche Stellung. Das heißt, er konnte in Zusammenarbeit mit der Regierung Notverordnungen mit der Wirkung von Gesetzen erlassen. So konnte er den Reichstag übergehen, so lange dich sich das gefallen ließ.
Die Praxis der Verfassung war während der Weltwirtschaftskrise ab 1929 die, dass der Reichstag dem Reichspräsidenten von Hindenburg und der Regierung Brüning solche Notverordnungen genehmigte, weil er so die Handlungsunfähigkeit der Regierung vermeiden wollte. 
Diese war entstanden, weil keine Koalition mehr zustande gekommen war, die die kombinierte Sperre durch Nationalsozialisten und Kommunisten durch Stimmenübermacht beseitigen konnte.
Dazu kam als Praxis des Reichspräsidenten, dass er mit von Papen und Schleicher Reichskanzler ernannte, die auf die Duldung zumindest eines Teils der nationalsozialistischen Abgeordneten angewiesen waren, wenn Hindenburg nicht fortlaufend den Reichstag auflösen wollte. 
Struktur und Praxis der Verfassung bewirkten so, dass Hindenburg, von seiner Umgebung überredet, Hitler zum Reichskanzler ernannte, obwohl er ihn als Person und auch seine Politik ablehnte. 
Was man Hindenburg vorgespiegelt hatte - nämlich dass Hitler nicht imstande sein würde, zu regieren, ohne sich nach den Wünschen der konservativen Regierungsmitglieder zu richten, traf dann freilich nicht ein. 

Das Paradox von gleichzeitigem Selbstmord und Ermordung der deutschen Demokratie ist damit freilich noch nicht aufgelöst.
Denn es waren nicht Demokraten die Selbstmord begingen. Sie machten sich von 1930  bis 1932 nur handlungsunfähig. Die Ermordung erfolgte erst Jahre später durch die Zusammenarbeit der Reichskanzler von Papen und Schleicher mit Hindenburg. 
Doch was ich eben erläutert habe, hat Franz Neumann mit seiner paradoxen Formulierung prägnant zusammengefasst. 

Es gäbe zwar Wichtigeres zu tun. Aber ich habe ausgenutzt, dass ich ohne Zeitdruck formulieren konnte, was im Unterricht aufgrund des Stoffdrucks oft zu kurz kommt.

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