Donnerstag, 11. Februar 2016

Das Geschenk des Orang-Utans

Von seinen Reisen in Krisengebiete hat der Reporter Wolfgang Bauer Erinnerungsstücke mitgebracht (ZEIT magazin 5/2016)
"Ein rot-blau lackiertes Stück Holz, Teil einer Bordwand, herausgebrochen aus einem kleinen Fischerboot. Das Geschenk von Julio, einem dreijährigen Orang-Utan-Männchen. Wilderer hatten seine Mutter kurz nach seiner Geburt in den Wäldern von Borneo erschossen. Sie töten Orang-Utan-Mütter, um an ihre Jungen zu kommen, denn in Indonesien gibt es einen florierenden Handel mit Menschenaffen. Orang-Utan-Kinder werden als Haustiere geschätzt. Wenn sie älter werden, beginnen sich ihre Besitzer vor ihrer Kraft zu fürchten und bringen die Tiere oft um. Julio wurde von der wohlhabenden Besitzerin einer Zuckerbäckerei gekauft. Sie unterhielt einen Sommersitz am Strand in der Nähe der Stadt. Julio und ich saßen nebeneinander im Sand. Er war zu diesem Zeitpunkt bereits bedrohlich groß geworden. Fünf Menschenaffen hatte die Zuckerbäckerin vor Julio gehabt und töten lassen, und auch Julios Tage schienen gezählt. Am Strand schaute er mich irgendwann an und gab mir dieses bunte Stück Holz. Hatte vielleicht nichts zu bedeuten, ich war trotzdem gerührt."
Seine anderen Mitbringsel leben auch von dem speziellen Kontext, von dem sie Zeugnis ablegen. Doch immer war es Bauer, der dem Erinnerungsstück die Bedeutung gab. Hier geht die Handlung vom Orang-Utan aus.

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