Freitag, 10. März 2017

Medienkompetenz wird unterschätzt

Immer wieder wird gefordert, zur Immunisierung gegen Fake News müsse früh genug Medienkompetenz geübt werden.
Fake News und Medienkompetenz sind freilich hochkomplexe Konzepte.

Zur Medienkompetenz gehört u.a.:
Sprachkompetenz: Wer nur einfache oder gar nur leichte Sprache versteht, kann die Mehrzahl der angebotenen Texte gar nicht erst entschlüsseln.
Wegen der fortschreitenden Anglisierung der fachsprachlichen Termini und ihrem Eindringen in die Umgangssprache sowie wegen der routinemäßigen Verwendung von Abkürzungen ist ständig eine Vielzahl neuer Vokabeln nachzulernen.
Fähigkeit, psychologische Manipulation zu erkennen: Hierzu nur die Kurzhinweise auf Tricks der Werbung und auf Kahnemanns Schnelles Denken, langsames Denken
Kenntnis des gesellschaftlichen Umfeldes: Dazu gehören
das Bewusstsein für die Verantwortung als Bürger der (Welt-)Gesellschaft und die daraus erwachsende Motivation, sich umfassend zu informieren
der Zugang zu Medien: gefährdet durch die stufenweise Abschaffung der Netzneutralität und staatlich geförderte Intransparenz (u.a. Lobbyismus und Korruption)

Zur Erläuterung dieses letzten Punktes:
An einer Auslandsschule in Europa legte ich im Abitur einer Schülerin, die insgesamt einen Notendurchschnitt von 1,0 erzielte, einen Bildzeitungstext vor. Sie war außerstande, die manipulative Argumentation zu durchschauen, und nahm die unausgesprochenen Grundannahmen als selbstverständlich hin. Erst als der Zweitprüfer ihr mit sokratischer Methode (weniger elegant gesagt: mit Suggestivfragen) klar machte, dass sie die Grundannahmen gar nicht teilte, deckte sie Stück für Stück die Manipulation auf.
Da sie nicht in Deutschland sozialisiert war, rechnete sie nicht mit schamloser Manipulation (die Bildzeitung war ihr unbekannt); aber sie kannte außerdem nicht die soziale Wirklichkeit, die verzerrt dargestellt wurde. Die Leistung wurde am Ende mit gut bewertet. Das wurde ihrer speziellen Situation gerecht. In Deutschland hätte es - angesichts der massiven Hilfen - vermutlich Schwierigkeiten gegeben, ein ausreichend zu rechtfertigen.

Medienkompetenz ist also nur durch umfassende politische und sprachliche Bildung zu erreichen.
Dass Fake News auch damit allein durchaus noch nicht durchschaut zu werden brauchen, wäre gesondert darzulegen.

vgl. dazu mein medienpädagogisches Konzept von 2009


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